Wat, schon wieder Kreuzwort? Na gut. Dann legen wir mal los, am närrischen 11.11. diesmal, montäglich wie gewohnt, mit Einlass ab 20h, was einen Beginn um 21h nach sich ziehen wird. Diesmal dabei ein bunter Blumenstrauß von Lyrik mit Carl-Christian Elze, Birgit Kreipe, Kreuzwort-Veteran Tom Schulz und Klaus Johannes Thies. Noch mehr Infos? Na gut: Im Damensalon in der Reuterstraße 39 as usual. Achja, kostet wie immer 3€ Eintritt. Puh, hab ich noch was vergessen? Glaub nicht. Kommt einfach rum, zackig!
Carl-Christian Elze, 1974 in Berlin geboren, lebt in Leipzig. Er studierte Biologie und Germanistik, und von 2004-2008 am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Er schreibt Gedichte, Prosa, Drehbücher und Libretti. Zahlreiche Einzelveröffentlichungen und Beiträge in Literaturzeitschriften und Anthologien wie EDIT, Bella Triste, Lyrik von Jetzt 2, Jahrbuch der Lyrik. Sein letzter Gedichtband „ich lebe in einem wasserturm am meer, was albern ist“ erschien 2013 im luxbooks-Verlag. Für seine Gedichte erhielt er u.a. den Lyrik-Debütpreis Poetenladen (2005), das New York-Stipendium des Deutschen Hauses NY und der Max-Kade-Foundation (2010), und den Lyrikpreis München (2010). Seit 2011 betreibt Elze zusammen mit Janin Wölke, Udo Grashoff, Mario Salazar und Thorsten Frey die Lesereihe niemerlang in Berlin und Leipzig.
ich habe fickende fliegen im kopf, ich habe so viele
fickende fliegen im kopf, alles brummt & legt kleine eier.
ich habe dinge zu regeln, wenn ich wieder im haus bin.
wie kann es sein, dass fickende fliegen in mich geraten?
das system muss offen sein. wie liebestoll ist dieses system?
& wenn es offen ist, kann ich mit dem kleinen finger hinein?
& reicht es aus, wenn ich nur einer einzigen fickenden fliege,
während sie fickt, mit dem kleinen finger übers rückenfell fahre
dass es knistert, um selber glücklich zu sein?, weil fickende fliegen
glücklich sind, so steht es geschrieben, & alles glück abstrahlt –
aus: ich lebe in einem wasserturm am meer, was albern ist. Gedichte. luxbooks, Wiesbaden 2013.
Birgit Kreipe, geb. in Hildesheim. Kindheit & Jugend auf dem Land. Studium der Psychologie und Germanistik in Marburg, Wien und Göttingen, lebt in Berlin. Kurzprosa und Gedichte sind in vielen Zeitschriften und Anthologien erschienen (zuletzt in erostepost, ostragehege, randnummer, lichtungen, zeitzoo; Anthologien: Die Schönheit ein deutliches Rauschen und Schneegedichte. beide hrsg. von Ron Winkler; Im Heiligkeitsgedränge, Verlag Lettretage, 2011; Jahrbuch Lyrik 2011, 2013,)
Im Frühjahr 2012 erschien „schönheitsfarm“ im Verlagshaus J. Frank, Berlin
nachts rücken die scheunen zusammen, werden zahm
I
hier, wo die blauen luftschiffe aufsteigen
wie soda, war mein acker. unter dem grün
das feld, wo wir licht anbauten
in den jahren des zusammenhaltes
gussmodeln: hier liebesformate
dort kühlpackungen für die verwundeten.
das licht kitzelt noch, wie ein schwarm, auch wenn
das wurzelwerk lange erloschen ist.
bäume, ihr wispern, wie muhmen:
da bist du ja, mein stiefelmädchen
gerstenfeld, mondgesicht, endlich zuhaus!
wir werden leben wie ein orchester, zusammen!
wo die apparaturen erblinden
zischeln vier winde. ich will nicht
ins trudeln geraten, die balance
die blauen luftschiffe, sie gehören zu mir.
Tom Schulz, geboren 1970 in der Oberlausitz, aufgewachsen in Ostberlin. Lebt als freier Autor und Herausgeber in Berlin. Dozent für Kreatives Schreiben. Leitet seit 2011 die Schreibwerkstatt „open poems“ an der Literaturwerkstatt Berlin.
Zuletzt erschienen: Innere Musik. Gedichte. Berlin Verlag, 2012. Kanon vor dem Verschwinden. Gedichte. Berlin Verlag, 2009. Im Frühjahr 2014 erscheint bei Hanser Berlin (zusammen mit Björn Kuhligk): Wir sind jetzt hier. Neue Wanderungen durch die Mark Brandenburg.
Herausgeber der Anthologie: Alles außer Tiernahrung – Neue Politische Gedichte. Rotbuch Verlag, 2009. Und der Liebesgedichte – von Nicolas Born. Insel Verlag 2011. Mitherausgeber der Anthologie „Trakl und wir – Fünfzig Blicke in einen Opal.“ Stiftung Lyrik-Kabinett, 2014.
Preise und Stipendien u.a.: Bayerischer Kunstförderpreis für Literatur, 2010. Aufenthaltsstipendium der Villa Decius in Krakau, 2010. Aufenthaltsstipendium des Künstlerhofs Schreyahn, 2012. Aufenthaltsstipendium des Heinrich-Heine-Hauses in Lüneburg, 2012-13 . Berliner Senatsstipendium, 2013. Kunstpreis Literatur der Lotto-Stiftung Brandenburg, 2013.
Aus der Lichtuniversität
Nur eine Zeile. Lyon. Only the young die young. Traf mich ein Sonnenstrahl. Sanft
und warm. Über den Platz ging ein Mann. Dann eine Frau. In den Bäumen weder
Blätter noch Reif. Weder die Knospe. Noch eine Hostie. Nur das Licht. Lumiere.
Leicht zu denken. Auch dies. Der Clochard war aus Gras. Wir rauchten zusammen.
Bis auf den Filter. Spazierten am Fluss. Die Wege, mit dem Meer verbunden. Auf
eine unbekannte Weise. Wie Tiefgaragensümpfe. Stell dir vor: brennende Ebenen. Dazwischen wir: Äffchen. Schaukeln inmitten der Verkehrsinseln. Versteh mich nicht falsch. Nur eine Zeile. Was du denkst oder isst, gehört dir. Das Brötchen im Pralinen-mantel. Diese Referenz: an eine leere Mitte. Hinterlässt keinen Diskurs. Pralinen-brötchen. Gefüllt mit nichts. Außer süßem Teig. Ein Körper, wenn er aufprallt. Fällt
er weich? Erste Hilfe. Mund zu Nase. Leicht zu verstehen. Auch dies. Der eine
Garten heißt Gabriel Faure. Dieses Haus. Ein Gebäudeteil davon. Die Nocturnes.
Hören sich an am Tag. In der Nacht. Schwingen die Brücken noch? Versteh mich
nicht falsch. Mein Kopf badet in der Sonne. Ich bestehe fast nur aus Wasser.
Wenn ich einen Gedanken fasse, gluckert es. Als wäre etwas im Fluss. Als fädelten
wir uns durch die Passagen wie Kamele in einem Nadelöhr. In den Auslagen
Teufelsrochen. Jemand wie ich tritt in ein Glühlampengeschäft. Spricht die Worte
ungenügend. Oder falsch betont. Verwechselt Bahnhof mit dem Schlafanzug. Tür
und Hafen. Am Geländer hielten wir uns fest. Liefen herüber nach Alt. Lyon. Nur
eine Zeile. Kirchliche Gassen, schmal. Eine Frau ging hindurch. Ein Mann. Dann
die Horde Schulkinder. Stand vor der Kathedrale. Sahen die fehlenden Köpfe nicht.
Die Köpfe der Engel, abgesägt. Etwas gluckert, wird still. Als wir in den Garten aus
Stein gerieten. Beinah stolperten. Die Rückseiten der Häuser ergriffen. Die Rück-
seiten der Daguerreotypien. In sechzehn Bildern pro Sekunde. Wovon zu erzählen
wäre. Die erste Erzählung des Lichts. Wir kauften die Milchbrötchen.
Klaus Johannes Thies, aufgewachsen in Bielefeld, ab 1966 in und um Würzburg, seit 1975 in Bremen, seit 2000 auch in Berlin.
Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften: „Manuskripte“, (Heft 124, 143, 164, 183) „Neue Rundschau“, „Akzente“, „neue
deutsche literatur“, „die horen“, „Litfass“, „Der Literaturbote“, „Hirschstraße“, „Zündschrift“, „Krachkultur“, „Stint“, „Trafika“ (Prag/New York), „Tratti“ (Faenza), „Yang“ (Gent), „entwürfe“(Zürich)…
Bücher: „Was machen wir hier“, Eric van der Wal, Bergen NH (Gedichte) 1984 „Unbedingte Zunahme“, Tende Verlag Frankfurt 1986 (dafür Förderpreis für Bremer Schriftsteller und Stipendium in der Casa Baldi, Olevano Romano) „Schurrmurr“, Achilla Presse Bremen/Hamburg 1996 „Die Dunkelkammer unter dem Rock“, Reclam Leipzig 1998 „Tacchi a spillo sulla tastiera di Monk“, Mobydick, Faenza 2000, (Übersetzer: Giovanni Nadiani) “Uranda Urundi”, (Kurzprosa) 2007 “Zusammenarbeit mit Dritten”, (Kurzprosa) 2009
Hörspiele: „Kalte Füße“ „Bilder, Schritte, Anfänge“ (drei kleine Phantasien) 1999 (beide von Radio Bremen produziert)
Fernsehen: Portrait von Christel Körner, produziert vom swr
EIN PHOTO AUS EINEM ANDEREN JAHRHUNDERT
Heute morgen bin ich versehentlich in einem anderen Jahrhundert erschienen.
Ohne fremde Hilfe konnte ich keine der Personen identifizieren,
die da in meiner Wohnung herum gingen.
Und dann die Musiker dazwischen.
Offensichtlich war ich in ein Familienfest meiner Vorfahren hineingeraten.
In den Gesichtern erkannte ich die großen Hoffnungen, die, wie Fallschirme,
nie aufgegangen waren, und dann die Veteranen, die soviel Angst und
Schrecken verbreitet haben;
jetzt saßen sie, wie in einem Linienbus, hintereinander
und konnten kaum die Abfahrt zum Sennefriedhof I erwarten,
saßen nach dem Essen da, in sich versunken,
als würde sie eine Lampe von innen schwach wie Hustensaft beleuchten,
und die Kinder liefen um sie herum, wie um Eisberge, von denen nur noch die
ausgemergelten Knie zu sehen waren.
Sah mich nicht in der Lage, die zwanzig, dreißig Jahre zu überspringen,
die ich anscheinend verpasst hatte, fortwährend mit feuchten Augen anwesend,
und eben wegen der feuchten Augen vielleicht nur die Hälfte sah,
und dann unterspülten die Musikanten das, was mich im Innersten
zusammenhielt, mit ihrer rumänisch klingenden Musik.
Schlagwörter: Berlin, Birgit Kreipe, Carl-Christian Elze, Klaus Johannes Thies, kreuzkölln, Lesung, Lyrik, Tom Schulz