Archiv | November, 2012

Kreuzwort am 12.11.: FINDEIS, PETER und REHOR

6 Nov

Himmel hülf: Es wird Herbst. Wir fangen geistig bereits an Rilke zu zitieren. Aber natürlich den richtigen: „Herrschaftszeiten: Es ist kalt.“ So hieß das zumindest, bevor die Pleitegeier der Editionsphilologie ihr schröckliches Antlitz über des Rainers, des Marias zarte Verschen hoben.* Ja, es wird kalt und ungemütlich. Während die armen Nazis sich nicht mal beim Laternelaufen (Obacht, sie haben’s Feuer entdeckt, es droht der zivilisatorische Anschluss!) adäquat die Glatze wärmen können, ziehen wir mal wieder das innere Exil vor, um uns eben auch von Innen wärmen zu lassen. Das Exil heißt mal wieder Damensalon in der Reuterstraße 39 in Berlin-Kruxkölle, nahe der U Hermannstraße oder U Schönleinstraße, je nach ästhetischem Empfinden. Die Hirnlappen lassen wir uns diesmal von Prosa wärmen (den Magen von Gin Basil Smash, wie gehabt. Ohne Zimt, mit Verlaub!): Patrick Findeis stellt seinen neuen Roman vor, Lilian Peter ihr Romanprojekt und der Rehor, ja, äh, hm, der heißt Roman mit Vornamen und liest ebenfalls Prosa.**

Wir, die Cool Cats des Kreuzwort-Universums freuen uns selbstverständlich auf die drei und nicht zuletzt über euer Erscheinen.

*Ist natürlemang erstunken und erlogen, taucht aber so vielleicht bald in der Dissertation einer Person aus dem CDU- oder FDP-Umfeld auf, wer weiß? Wär’s dann wahr? Ich hoffe.
**Wenn ihr mir für die Überleitung eine reinhauen wollt, ist das okay. Ihr müsstet dafür nur ab 20h vorbeikommen. Wenn ihr trotzdem Eintritt in Höhe von 3€ dalassen würdet, wir würden uns freuen.

Patrick Findeis, geboren 1975 in Heidenheim an der Brenz, lebt als freier Autor in Berlin. Nach Handwerkslehre und Abitur auf dem zweiten Bildungsweg studierte er Komparatistik, Psychologie und Kommunikationsforschung. Findeis ist Absolvent des Deutschen Literaturinstituts Leipzig und erhielt für sein literarisches Werk schon vielfach Auszeichnungen, zuletzt 2011 ein Aufenthaltsstipendium der Villa-Aurora-Stiftung in Los Angeles. Für seinen Debütroman „Kein schöner Land“ wurde er u.a. 2008 mit dem 3sat-Literaturpreis in Klagenfurt bedacht. „Wo wir uns finden“ ist sein zweiter Roman.

…und reinlesen könnt ihr auf der Homepage seines Verlages. Hier klicken!

 

Lilian Peter, geboren 1981 in München, lebte unter Nonnen, Menschen und Schafen, wohnte in Städten, Häusern, Kampf- und Hanfzentren, verschrieb sich selten, zerschrieb sich oft, durchlief zwei Länder und neun Nächte, verschlief 938 Vorlesungen, wurde trotzdem zur Philosophin diplomiert, erwachte in Berlin und pendelt seither nach Leipzig ans Deutsche Literaturinstitut. Der Steinway, der ihr nicht gehört, steht nicht hier.

Auszug aus „Nicht in Wien„:

I

Erich ist gestern bei mir eingezogen. Wir haben früher schon einmal zusammen gewohnt, in Wien, ich würde gerne sagen, dass es in einer Gasse war, in der Hadikgasse oder der Burggasse oder der Franzensgasse, weil es aber die Schönbrunner Straße war – Schönbrunn immerhin, aber eine Straße, das klingt zu deutsch –, sage ich noch dazu, dass wir jeden Tag einen Kleinen Braunen getrunken und mindestens einmal in der Woche eine Mehlspeise gegessen haben im Café Hawelka, das war zu der Zeit, als Frau Hawelka noch lebte und jeden Tag Buchteln buk: Ich sage das nur, damit mir Wien gerade jetzt nicht abhanden kommt. Später dann waren Erich und ich meistens Nachbarn, nicht immer, wir haben uns im Dickicht der Länder, im Lärm der Städte und im Gewirr der Sprachen bisweilen aus den Augen verloren, ich kann mich erinnern, dass ich ihn manchmal in einer Menschenmenge erspähen konnte, aber höchstens von weitem, und höchstens für Sekunden. Ich glaube zum Beispiel, dass ich ihn einmal in New York gesehen habe in der PATH Station an der 33. Straße, er nahm die ersten Treppenstufen hinauf, während mein Zug sich gerade in Bewegung setzte, um mich nach New Jersey zu bringen; ich kann mich nicht erinnern, was ich in New Jersey zu finden hoffte, vielleicht nur einen Nichtort, und Jersey City ist ja hauptsächlich nicht Manhattan. Ich kann Erich jetzt nicht fragen, ob er das gewesen ist oder nicht damals, da er gerade zum Einkaufen gegangen ist, und wenn er wiederkommt, werde ich schon schlafen, Erich braucht in der Regel sehr lang zum Einkaufen, das war in Wien auch schon so.

Roman Rehor (Vorwendekind), kann eine Computertastatur einhändig bedienen, wenn er muss; will aber nicht, weil er darf, was er wünscht. Er studierte Philosophie und Theaterwissenschaft, hat aber auch was Richtiges gelernt (was mit Medien) und teilt seine Leidenschaft für Stimme in Profession und Freizeit gern mit einem geneigten Publikum, auch Nachts um Drei, wenn er darf, was er nicht will, weil er nicht soll.

Die Uhr schlug Sechs, als Ameli in eine existentialistische Krise rutschte. Es begann ganz harmlos mit einem Moment des Innehaltens. Eine Art Innehalten, wie man sie kennt, wenn man merkt, dass man gleich niesen müsse. Oder wenn es im Magen rumpelt, und der entspannte Geist mit interesselosem Wohlgefallen schaut, ob ein Rülpser, oder doch eher ein Furz draus werde. Das Ergebnis ist bekannt, man hat es schon tausend Mal erlebt, und so lässt man es geschehen und geht dann, vielleicht mit einem Gefühl der Erleichterung, seiner weiteren Tagesbeschäftigung nach. Doch nicht so bei Ameli. […]