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KREUZWORT am 21. Oktober mit LESS, REICH, SCHULTENS und STEINBUCH (kein Scherz, machen wir echt)

14 Okt

Das Tolle am Nie-Geld-Verdient-Haben ist ja, dass dir niemals niemand vorwerfen kann, du habest dich ausverkauft. Was ihr uns jetzt allerdings vorwerfen könntet: Nostalgie. Ist uns aber wumpe, wir leben doch nicht nach eurem kleingeistigen Zeitdiktat. Sondern ständig und überall, querwärts und überhaupt zu viel. Deswegen: Wir schmeißen mal wieder eine Lesung. Einfach weilwegen.

Ende 2013 war Schluss, mit einem Nebensatz und einem powered-by-Kate-Blogeintrag, der sich viel um Pasta mit Tomatensauce drehte. Danach haben weder Carolin noch ich so wirklich runtergeschraubt, wie das eigentlich der Plan war, sondern sind durch ein Chaos nach dem nächsten gesurft. Egal, interessiert euch nicht und selbst uns nicht so sehr.
 

Zumal wir ja ständige Vertretung erhalten haben. Von Kids, die das cooler deichseln als wir. Wir konnten uns als beruhigt schneckenhäuseln und uns die Plautze streicheln (jeweils, nicht gegenseitig – um hier eventuellen Gerüchten oder meinetwegen auch Gerüchen vorzubeugen). Mehr als Paste mit Tomatensauce war allerdings kaum drin, allein schon weil ich ein sehr einfallsloser Mensch bin. Habe aber zwischenzeitlich Zucchini für mich entdeckt, es ist romantisch.

Jedenfalls: War gut, war prima. Aber dann? Sehnsucht? Wiederaufquellende Leidenschaft? Neugeschöpfter Idealismus? Doch finanziöse Gefühle?

Nee, Bier.
 
Irgendwann im September schmiss ich Platten auf Teller und Carolin war dabei und wir beide voll mit Bier und dann voll so:
EY WÄR DOCH WITZIG WENN WIR
JA HAHA EIGENTLICH SCHON NE
NE
JA NE
JA DANN LASS DOCH MACHEN
HAHA OKAY NE
NE IST DOCH COOL
JA NE
BOAH COOL NE
JA NE EH
LASS NOCH MALN BIER DRAUF
JAU GERNE DIGGA
COOL DIGGI
(Gedächtnisprotokoll)
Dann, nach einer nüchternen und professionösen Strategieplanung via Facebook-Chat inkl. bunten .gif-Stickern (der mit dem Hund, der dem anderen Hund am Hintern riecht ist megasweet – Analgesicht nennt sich das übrigens in der Fachsprache), stand das Datum fest: 27. September, quasi also fünfter Geburtstag.
Weil der erste Termin am auch am 27. September war, nur fünf Jahre vorher. Gebt zu, das ergibt frappierend viel Sinn, ne?
Nach ein bisschen Rumdoodelei und Nichtstuerei wurden ein paar Namen mit den dazugehörigen Menschen und Einverständniserklärungen gefunden und dann schaute Carolin mal wieder im Damensalon vorbei und wir freuen uns jetzt auf den 21. Oktober statt dem 27. September (das wär uns zu lange hin) mit Georg Leß, Stephan Reich, Katharina Schultens und Gerhild Steinbuch und Kate Bush weil Kate Bush ist immer.
 

Einlass ab 20 Uhr (ihr wisst, was das heißt), halbtrunkene Anmoderation ab 21 Uhr (keine Viten), echte Gefühle für ca. 1 1/2, danach Kickern, Bier und markige Sprüche mit adaptiertem und/oder vollgefälschtem Dialekt.

Damage 3€, um Kicker- und Bierkosten zu kompensieren. Wir haben das Nie-Geld-Verdient-Haben schließlich nicht verlernt. Soll uns ja niemand was vorwerfen können. Niemals.

Aber geht’s danach weiter, Kristoffer?

Lol, nein. Lol. Sowas von überhaupt nicht.

KREUZWORT xt STILL mit: ANDERSON, KRAXNER, PFISTER & WESTHEUSER

7 Mai

Wer uns kennt, weiß: Wir lieben die Overachiever von S T I L L. Obwohl ich zum Beispiel immer noch nicht mein Exemplar der Zeitschrift bekommen habe. Nicht, dass ich sauer wäre oder so. Sauer werde ich ja nur, wenn ich mit denen noch klären muss, wie unser gemeinsames Event am 13. Mai heißen soll. „STILL bei kreuzwort? kreuzwort feat. STILL?“, hieß es von deren Seite. Wer uns kennt, weiß: Namen finden und uns dann auch nicht einig sein, das ist nicht unsere Stärke. „stilles wort?“ funkte die Katze mit der großen Brille (kleiner Tipp: nicht ich) durch den Facebook-Chat zurück. Und insistierte yodaesk: „STILLES WORT STILLES WORT STILLES WORT. betrunken ich noch bin.“ Eventuell habe ich mir das aber nur ausgedacht. Eventuell nicht und wir kommunizieren tatsächlich so. So oder so: Ich habe mich dann für KREUZWORT x STILL entschlossen (weil ich den Blog schmeisse und aus anderen Gründen, die ich hier nicht nennen möchte) und dann noch ein t eingefügt, weil, na ja, wer uns kennt, weiß: Saufjargon ist unser Ding. Einfach so, weil das ja witzig ist. Haha. Hm.

Wie dem auch sei: Sonst mussten wir mal wieder wenig machen, was uns ja immer freut. Dann bleibt mehr Zeit zum Nichtstun. Die S T I L L-Gang schaufelte uns also Namen zu und wir freuten uns. Auf Shane Anderson, Petra Maria Kraxner und Lyz Pfister. Und auf Linus Westheuser, der wohl dabei sein wird, um Übersetzungen vorzutragen. Kein Grund sich nicht oder weniger zu freuen, eher noch mehr! Deshalb: Zieht euch dem Wetter entsprechend an, legt einen eurer Laune entsprechenden Gesichtsausdruck auf, packt euch Geld – mindestens aber 3€ Eintritt (oder aber mehr, um weniger zu bezahlen, siehe unten!) – in den Brustbeutel und strömt ab 20h in den Damensalon in der Reuterstraße 39 und Berlin-Neukölle. iPod mit De Höhner-Playlist nicht vergessen, einfach so aus Ironie wegen des Tippfehlers eben.

Und ja, werdet ihr euch fragen, WTF, Alter, keine Ahnung, was S T I L L ist, LOL. Das Label von MC Fitti? Noch nicht (die arbeiten bestimmt aber dran). Erstmal ist S T I L L in eigenen Worten:

You read so hard you get paper cuts? S T I L L ist ein Magazin voller neuer Geschichten und junger Fotografie. Zweimal jährlich auf Papier präsentiert es Fotokunst und junge deutsche Literatur. Ob Kurzgeschichten, Romanauszüge, Lyrik oder Drama — S T I L L steht für fiktionale Texte und Geschichten voller Fantasie genauso wie für internationale junge Fotokunst. Große Fotostrecken treffen auf Literatur und junge Autoren auf alteingesessene. Und egal, wie lange die Autoren schon schreiben: die besten Texte erscheinen zum ersten Mal bei S T I L L !

At the still point, there the dance is.

Das Debüt, mit Texten und Bildern von Andreas Stichmann, Lyz Pfister, Friederike Mayröcker, Crauss, Chloe Zeegen, Jan Wagner, Linus Westheuser, Petra Maria Kraxner, Stefanie de Velasco, Björn Siebert, Ali Taptık u.v.m.

 

Sieht so aus:

Still Cover

 

Angefasst dann so:


 

Ihr könnt sie an diesem schönen Maimontag auch kaufen, sogar billiger: Eine Ausgabe S T I L L + Eintritt = 9€. Was eigentlich dem regulären Preis der Zeitschrift entspricht. Nur habt ihr hier auch den Eintritt drin, der sich wie gewohnt auf 3€ beläuft. Entweder: 3€ für Eintritt allein oder 9€ für Eintritt + S T I L L. Klingt einfach, war aber nicht so simpel, das gemeinsam auszuklabustern (via Facebook natürlich).

 

Da kümmern die sich drum. Wir schlürfen Cocktails und Krusovice oder diesen Weißwein, der uns immer so furchtbar betrunken macht (also mich vor allem).

 

Shane Anderson wurde 1982 in Kalifornien/USA geboren. Seit 2005 lebt er in Berlin. Seine Lyrik und Prosa erschien in Magazinen wie Hilda, kill author und im Playbill zu Matthew Barneys KHU. Sein aktueller Gedichtband, Études des Gottnarrenmaschinen, erschien 2012 bei Broken Dimanche. Er arbeitet zudem als Übersetzer, kürzlich u.a. mit Uljana Wolf. www.shane-anderson.blogspot.de. In S T I L L erschienen zwei seiner Gedichte, die zudem von Linus Westheuser ins Deutsche übersetzt wurden. Linus Westheuser, wurde 1989 in Berlin geboren, studiert Soziologie und schreibt Lyrik. Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien, zuletzt Bella triste 33. Die in S T I L L veröffentlichten Texte sind seine ersten Lyrikübersetzungen. www.gdreizehn.wordpress.com.

 

SPIRITUALLY SPEAKING, ONE NOSTRIL ONLY

 

Now the difference

shrinks between spring

and late summer

to allergies the temperature

samed, slushes the brain

into a kind of dew

we suppose to be angels’ food

[…]

 

 SPIRITUELL GESAGT, MIT NUR EINEM NASENLOCH

Jetzt schrumpft der

Unterschied zwischen Frühling

und Spätsommer

auf Allergien zusammen die Temperatur

ist geglichen matscht

die Hirnmasse

zu einer Art Tau

den wir für Engelsnahrung

halten

[…]

Petra Maria Kraxner, geboren 1982 in Zams, aufgewachsen in Tobadill, lebt und arbeitet in Berlin. Veröffentlichungen von Gedichten in Zeitschriften, Anthologien sowie auf Fotografien. Ihre Theaterstücke KESt, Nutella Town oder Die Bläue bleibt in etwa zu 52% werden vom Thomas-Sessler-Verlag Wien vertreten. Ihr jüngstes Stück, Die gesetzliche Verordnung zur Veredelung des Diesseits, wurde im März 2013 im Vestibül des Wiener Burgtheaters uraufgeführt und am Landestheater Innsbruck nachgespielt. Ein Auszug daraus erschien bei S T I L L.

Die gesetzliche Verordnung zur Veredelung des Diesseits

 

[…]

Gabriel: Ophelia, erzähl von dir.

Ophelia: W(verschlucktes ie)

Gabriel: Du scheinst mir ein schweigsamer Mensch zu sein.

Ophelia: I(verschlucktes ch)..

Gabriel: Du musst aber auch gar nichts sagen. Wenn du nicht möchtest. Ophelia, das würde ich verstehen. Das fände ich ganz und gar nicht, abstrus. Ich mag schweigsame Menschen, wirklich.

Ophelia: [Zieht sich wieder aus.]

Gabriel: Irgendwie stoße ich immerzu auf schweigsame Menschen. Sie ziehen mich an. Als gäbe es eine höhere Instanz, die mich stets an wortkarge Kommunikationspartner geraten lässt.

Ophelia: [Zieht sich einen Bademantel über.]

Gabriel: Manche Menschen müssen sich ja regelrecht zum Smalltalk zwingen. Das musst du nicht. Ophelia, wirklich nicht.

Ophelia: Du…

Gabriel: Du musst dich nicht über Kachelmanns Kakerlaken oder die momentane mediale Aversion gegen Atombusen äußern. Auch nicht über die Atomlobby, Angela Merkel oder Spreeufer- Bebauungsmaßnahmen.

Ophelia, wir können auch einfach nur ficken.

[…]

Lyz Pfister ist Autorin aus New York, die gerade in Berlin heimisch wird. Sie schreibt regelmäßig über Essen und Kultur, unter anderem in ihrem Blog Eat Me. Drink Me. www.eatmeanddrinkme.wordpress.com. In S T I L L erschien ihr Gedicht ‚After Christmas’, das dazu von Jan Skudlarek auch ins Deutsche übersetzt wurde.

 

Lyz Pfister

Kreuzwort am 10.09.: Georg HEYM, Birgit KREIPE, Stephan REICH, Friederike SCHEFFLER & Katharina SCHULTENS

4 Sept

OH MEINE SPIRITUELLE PROJEKTIONSFIGUR, KREUZWORT IST ZURÜCK! Und startet natürlich gewohnt fulminant mit Literatur und Drinks in die nächste Saison. Am 10. September können wir im innig geliebten Damensalon in der Reuterstraße 39 sogar mit einem Verstorbenen aufwarten. Naja, zumindest mittelbar. Vor gut 100 1/2 Jahren ertrank Georg Heym auf einer Schlittschuhfahrt und hinterließ ein für sein zartes Alter ziemlich umfangreiches Oeuvre (nimm das, Optimierungsgesellschaft des 21.!). Der Schriftsteller und Herausgeber Florian Voß, der diesen Abend bei uns moderieren wird, wollte den expressionistischen Dichter wieder ins kollektive Gedächtnis zurück heben, indem er ihm eine Anthologie widmete. Nicht nur Heyms eigene Arbeiten sind darin versammelt, sondern auch Texte von Lyrikerinnen und Lyrikern, die sich intensiv mit dem vorgegebenen Material auseinandersetzen. Wir dürfen mit Birgit KreipeStephan ReichFriederike Scheffler und Katharina Schultens vier Personen bei uns begrüßen, die zu dem fantastisch gelungenen Band (das sag nicht nur, das sagt auch meine Rezension bei Fixpoetry, hier zu lesen) beigetragen haben. Die vier werden neben ihren Erwiderungen, Antworten und Pastichen auch eigene Texte vortragen. Toll? Toll!

Deswegen die Beine in die Hand genommen und vorbeigeschneit (hoffentlich kein prophetischer Ausdruck) kommen. Einlass ist wie gewohnt ab 20h, Eintritt beträgt wie gewohnt 3€, wir werden wie gewohnt Gin Basil Smash trinken und euch raten, dasselbe zu tun. Ihr braucht Teaser? Ihr kriegt Teaser!

Birgit Kreipe, geb. in Hildesheim. Kindheit & Jugend auf dem Land. Studium der  Psychologie und Germanistik in Marburg, Wien und Göttingen, lebt in Berlin. Kurzprosa und Gedichte sind in vielen Zeitschriften und Anthologien erschienen (zuletzt in lichtungen, randnummer, in: Schneegedichte, hrsg. von Ron Winkler, im Jahrbuch Lyrik 2011)

Im Juni 2010 erschien wenn ich wind sage, seid ihr weg, Verlag im Proberaum, Klingenberg. Im Frühjahr 2013 erschien „schönheitsfarm“ im Verlagshaus J. Frank, Berlin. 

Birgit Kreipe ist Mitglied im „forum der 13“.

 

Georg Heym

Der Winter          

Der blaue Schnee liegt auf dem ebenen Land,
das Winter dehnt. Und die Wegweiser zeigen
einander mit der ausgestreckten Hand
der Horizonte violettes Schweigen.

hier treffen sich auf ihrem Weg ins Leere
vier Strassen an. Die niedren Bäume stehen
wie Bettler kahl. Das Rot der Vogelbeere
glänzt wie ihr Auge trübe. die Chausseen

verweilen kurz und sprechen aus den Ästen
dann ziehn sie in die Einsamkeit
gen Nord und Süden und nach Ost und Westen.
wo bleicht der niedre Tag der Winterzeit.

Ein hoher Korb mit rissigem Geflecht
blieb von der Ernte noch im Ackerfeld
Weißbärtig, ein Soldat, der nach Gefecht
und heißem Tag der Toten Wache hält.

der Schnee wird bleicher, und der Tag vergeht
der Sonne Atem dampft am Firmament
davon das Eis, das in den Lachen brennt
hinab die Strasse rot wie Feuer brennt.

Birgit Kreipe

havel, himmel, blauer käfer, der am wasser fliegt

der wind bricht, krachen, in den bäumen auf
kühlt ab, im wasser tauchen flüchtig träume
erinnerungen. hirngespinste. auf.

chausseen wehn am ufer, in den ästen reste
atmen, mai. die uferphlox und meisen
gleißen, zitterschiffe, die in lichterfetzen treiben.

flammengrünes laub. im schatten eine uferwarnung
nicht weiter. dünnes eis: als letzte wachsoldatin
durchs jahr mit rost wie blut, darüber laub wie tarnung.

der wind zerrt abend auf ein boot, das dort vertäut
dahinter spätes mondkalb, hat ‘nen stern im maul
und stiert ins wasser, kaut betäubt.

das eis, das nicht mehr trug, ist hundertmal im meer
und in die blauen flügelschalen aufgestiegen.
brennt in den lachen. dann nicht mehr.

 

Stephan Reich, geboren, aufgewachsen, lebt.
Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien, zuletzt Wortwuchs Magazin # 5, randnummer literaturhefte # 4, Jahrbuch der Lyrik 2011, Versnetze Vier, etc. Finalist beim 18. Open Mike der Literaturwerkstatt Berlin 2010.

 

havel

 

Im Haar ein Nest

aus sauerstoff & an das ufer

dröhnt geschichte

fast wie vorhergesagt

da geht er hin

als ironie

(das muss einer der träume sein)

Und die beringten Hände

berlins im rücken die schlote winken

statisch zum abschied

während er Unsichtbar schwimmt

mit dem mund voller eis & letzte gedanken

verschwinden wie luftblasen

in der Flut

& im Dunkelgrün der Wiesen

bleibt es still, kein Widerhall,

die Melodie der atmung weicht

Maschinenkreischen, Wasser

ratten an den lippen noch reste

strenger,

nie wuchernder Sprache

 

Friederike Scheffler, geboren 1985 in Berlin, wo sie auch lebt. Veröffentlichungen in Zeitschriften (zuletzt Wortwuchs 7) und Anthologien. Mitgründerin des Berliner Lyrikkollektivs G13, eine Anthologie mit Texten der Gruppe wird im Oktober 2012 bei luxbooks erscheinen. Zum Wintersemester 2012 beginnt sie ein Studium am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig.

 

dicke luft in der landschaft, strommasten
füllen den schönsten zenit. windstärke? drei.
denkst das wetter, wie immer, mimöschen,
fühlt sich so schwach. all die hochhäuser,
schwimmer in dünnen hosen am see.
und weiter drin in der stadt zeig die stelle
am ellenbogen, wos mit uns hingeht.
was das denn soll, dieses wir vorzubringen,
eine kerze, dicht vors gesicht.
fahr zwischen die finger. rückbildung. ringe.
stehen sie zu nah? stehen ohne geräusch.
web deinen ehrgeiz in türme aus stahl.
und denk an die flauten, bitte, die sinken
verzeichne ihr hellblau, die rotierenden parks.

 

Katharina Schultens, geboren 1980 in Rheinland-Pfalz, arbeitet seit 2006 als Forschungsreferentin an der Humboldt-Universität zu Berlin. Diverse Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien (zuletzt ostragehege, randnummer, shampoo, bella triste, Lyrik von Jetzt II, Neubuch). 2004 ein Debütband im Rhein-Mosel-Verlag; 2011 als zweiter Band  “gierstabil” im Wiesbadener luxbooks-Verlag. Preisgeld gabs auch, besten Dank: 2005, 2007 und 2009.

 

der busch auf dem kopf meines kindes ist kein dornbusch

auch wenn es darum wogt als ob in einem gräserfeld
auch wenn es darin wispert wie in pappelkronen

und es stecken kleine vögel aus salz darin
deren flügel glitzern und es glänzt das gras

aber golden: durchquert meine hände
auf quantenmechanische weise.

dennoch ist der busch auf dem kopf meines kindes absolut
kein dornbusch bloß ein strauch der federn sprüht

und funken. man kann – das weiß ich – leuchten
ohne zu brennen, behauptet hazelelponi.

nur wollte sie vorübergehend festhalten:
ein weicher weicher strauch.

KREUZWORT am 12.03.: CRAUSS., NEUNER, REICH & SKUDLAREK

6 Mär

Derweil ich in Japan den Megakapitalismus am eigenen Leib und Konto erlebe, muss sich Carolin in Berlin mit der KREUZWORT-Planung herumschlagen. Da ist es nur fair, dass ich mich auch mal ein wenig um Organisatorisches kümmer und hier die Ankündigung für den nächsten KREUZWORT-Abend am 12.03. übernehme. Exorbitant unfair, dass ich crauss., Florian Neuner, Stephan Reich und Jan Skudlarek verpasse. Sowohl crauss. als auch Skudlarek durften wir zwar schon bei uns begrüßen, da die beiden aber diesmal neue Texte im Gepäck haben wird auch dieses Trostpflaster unzureichend und ein wenig labberig (wie z.B. nach der Dusche, ihr kennt das). Die Reuterstraße 39, in der sich ja der vorzügliche Damensalon befindet (übrigens dringend probieren: Gin Basil Smash! Ich hatte immer Gin Hazel Smash verstanden und dankend abgelehnt… Da sieht man’s mal: Aufmerksam zuhören lohnt sich. Großartiger Drink) ist gut 8.9000km von meiner Bahnstation entfernt und selbst das findige google maps konnte leider keine Route für mich heraussuchen. Umso dringender, dass ihr hingeht und mir berichtet, wie’s war. Nur bitte nicht zeitgleich, schließlich ist ab 20h Einlass, da wäre es hier bereits 4h morgens am nächsten Tag. Und teuer wäre das Telefonat eh, also belasst es lieber bei den 3€ Eintritt – dafür bekommt man hier übrigens einen Salat in Größe einer Kinderfaust und mit dem Geschmack von Löschpapier. Ebenfalls mit Appetizer-Qualitäte ausgestattet und ungleich geschmackvoll übrigens Viten und Probetexte der Lesenden… Hach Kinners, ich verpass was:

crauss.:

(1971) ist ganz aus dem takt geraten, seit er vom städtischen museum als gogo-tänzer engagiert wurde. tingelt seitdem durch verschiedene textspelunken und legt sich, wenn er genug getrunken oder eine lakritzvergiftung hat, mit motorradhelden an. bücher, burschen, bilder und brandaktuelles auf www.crauss.de

(c) marvellous

und kein tag vergeht an dem ich nicht in der küche
mit einer hand am kinn stehend mir wünsche
einmal neues geschirr in den schränken zu finden:
ewig lavendel die wanne das überbordende herz
und lauter verstaubte namen und jungen
mit goldner gravur verzierte mädchen und beide
kann man nicht unterscheiden voneinander
denn hier und dort sind ihnen die ecken zerschlagen
und federn die ich mir ausreisse deswegen
und fertiggeschriebene milch dann viel zu viele
waldspalten die erbmasse brust und slogans
die man nur rückwärts auftischen kann
und im kühlschrank noch nervenschnee der hält sich
ein wenig aber wohin mit den überflüssigen unds
da kann man kompott von machen einen laden von halten!
dann kratz ich das fett von den flächen und denke
dass es einfacher wäre in ein komplett anderes buch
zu ziehen komfortabel mit frisch ausgesprochenen möbeln
und raum für ganz schlichte wieworte und auslauf für verben.
schon fängt aber eines der alten versüssungsgeschirre
zu glänzen wie grossmutter an und blümchenkaffee duftet
wie durchsichtige verse ein schimmern die stube —
dann entscheid ich mich um und bleibe bei meinen
langen zeilen und geniesse aus dünnem porzellan gegossene reime
und nippe mit dem kopf voll klischeezarte pralinen.

Florian Neuner:

https://mail-attachment.googleusercontent.com/attachment/?ui=2&ik=48477596d4&view=att&th=135e23a0b90fc6d4&attid=0.1&disp=inline&realattid=bb70999a3fcc40ab_0.3&safe=1&zw&saduie=AG9B_P-A9-4PvuQAsShq1fCrodAj&sadet=1331015176075&sads=2MHtD5epy6lpDW107d_AGL5M9K8&sadssc=1(*1972), lebt in Berlin. Mitherausgeber von Idiome. Hefte für Neue Prosa. Journalistische Arbeit u.a. für Deutschlandradio. Psychogeographische Studien
im Ruhrgebiet, Teilnehmer der Ausstellung  EMSCHERKUNST.2010. Gemeinsam mit Thomas Ernst Herausgabe der Anthologien Europa erlesen. Ruhrgebiet, Klagenfurt 2009, und Das Schwarze sind die Buchstaben. Das Ruhrgebiet in der Gegenwartsliteratur, Oberhausen 2010. Bücher: Und käme schwarzer Sturm gerauscht, Linz u.a. 2001, Jena Paradies, Klagenfurt/Wien 2004, China Daily, Wien 2006, Zitat Ende. Prosa, Klagenfurt/Wien 2007, Ruhrtext. Eine Revierlektüre, Wien 2010, Satzteillager, Wien 2011.

http://neueprosa.wordpress.com

Leseprobe aus „Satzteillager“  (mehr Informationen zum Buch auf Klick):

da das ein wetter zum arbeiten ist
da das ein wetter zum schlafen ist
da das ein wetter zum saufen ist
da ich in basel verabsäumt habe, mir die ausstellung venedig. Von canaletto & turner bis monet anzusehen
da die zeit zu knapp war
da ich mich nicht aufraffen konnte, nach riehen hinauszufahren & lieber in antiquariaten gestöbert habe
da das wohl eine von diesen kulinarischen ausstellungen ist, die wenig erkenntnis bringen, aber doch freude machen
da ich in vicenza ein merkwürdiges bild von canaletto gesehen habe, auf dem er die rialto-gegend nicht so zeigt, wie sie ist, sondern wie sie seiner meinung nach aussehen sollte – mit einer brücke & palazzi von palladio
da kunst mit einfachen mitteln starke gegenentwürfe liefern kann
da ich in einem fiktionalen text behaupten kann, was ich will
da diese begründungen nicht überzeugen können
da doch alles auf willkürlichen vorentscheidungen beruht
da doch alles auch ganz anders sein könnte
da man das aber immer nur sagen kann relativ zu einem satz, zu einer behauptung
da ich mich zu behaupten versuche
da es manchmal spaß macht, behauptungen aufzustellen
da es manchmal spaß macht, alles wieder umzuwerfen
da man das schreiben als spiel betrachten kann
da das eine abgeschmackte formulierung ist
da es um geschmack nicht gehen kann
da geschmacksfragen aber schwer auszublenden sind
da ich es z.b. nicht aushalten kann, wie manche philosophen schreiben, ohne deshalb ihre theorie grundsätzlich anzweifeln zu wollen – obwohl
da ich z.b. nicht aushalte, wie heidegger schreibt
da ich vielleicht einmal ernesto laclau lesen sollte, wie auch die kommunistische tageszeitung hier vorschlägt
da alexander kluge an marx mehr als dichter denn als ökonom interessiert ist
da es so sicher auch nicht geht
da alexander kluge sagt, daß marx der „dichter unserer krise“ sei
da wahrscheinlich weniger ein dichter als vielmehr eine noch weiter verschärfte krise das ist, was wir brauchen
da sehr unklar ist, wen dieses ‚wir‘ treffen kann, ein- bzw. ausschließt
da ich nichts ausschließen will
da ich mich theoretisch nicht zu weit aus dem fenster lehnen will
da es reichen muß, wenn ich mich ästhetisch aus dem fenster lehne
da ich kein talent zur wissenschaft habe & auch keine geduld
da mir die attitüden & diskursgepflogenheiten der geisteswissenschaftler lächerlich vorkommen
da mich ihre fragen & themen meist auch gar nicht interessieren
da man sich nicht für alles interessieren kann
da ich es mir zu einfach mache
da es dringlichere fragen gibt
da man das immer sagen kann
da sich doch die frage stellt, wer wie darauf vorbereitet sein wird, wenn hier alles zusammenbricht
da ich nicht sagen möchte, ich ich wäre darauf vorbereitet
da gespräche darüber immer wieder im sand verlaufen
da auch andere gespräche häufig im sand verlaufen
da man sich nicht in falscher sicherheit wiegen sollte
da ich mich gestern abend dazu entschlossen hatte, das haus nicht mehr zu verlassen & mit einem glas rotwein am schreibtisch zu sitzen

(S. 94-96)

© 2011 Klever Verlag, Wien.

Stephan Reich, geboren, aufgewachsen, lebt.
Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien, zuletzt Wortwuchs Magazin # 5,
randnummer literaturhefte # 4, Jahrbuch der Lyrik 2011, Versnetze Vier, etc. Finalist beim 18. Open Mike der Literaturwerkstatt Berlin 2010.

in den clubs

fallen die kippen
zu boden
wie patronenhülsen

zeit schiebt sich fort, auf den klos
steht die pisse

sonne, mond
in einer wischbewegung
als winkte was zum abschied
draußen, oben

lass doch bitte
dies winwin
aus den berührungen

halte sie generell
bitte
steril

Jan Skudlarek, *1986 in Hamm, aufgewachsen in NRW und Spanien. 2004
bis 2010 Studium der Philosophie und Hispanistik an der Westfälischen
Wilhelms-Universität in Münster. Literaturförderpreis 2008 der
Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Kulturarbeit (GWK).
Westfälischer Förderpreis zum Ernst-Meister-Preis 2011. Diverse
Veröffentlichungen von Gedichten und Gedichtgruppen. Pendelt zwischen
Berlin und NRW.

Zeitschriften! Und: KREUZWORT am 12.12. mit D. FRÜHAUF, K. HARTWELL & D. WAGNER

5 Dez

Bevor ich mit dem Sturmhagel an Informationen zum nächsten KREUZWORT-Abend am 12.12. mit David Frühauf, Katharina Hartwell und David Wagner beginne, hier noch zwei kurze Hinweise in nur semi-eigennütziger Sache:

Wir lieben ja Zeitschriften und lesen sie vor dem Schlafgehen, nach dem Aufstehen, im Bus, beim Überqueren der Straße und auch bei gelegentlich sich ergebenden Krankenhausaufenthalten, wenn wir mal wieder angefahren wurden. Besonders angetan haben es uns die randnummer literaturhefte, die es bei unseren Lesungen ab sofort für billige 5€ zu kaufen gibt. Dafür gibt es in der vierten, soeben erschienenen (enenen!) Ausgabe nicht nur fantastisches Artwork und wahnsinnig gute Collagen von Mitherausgeberin Simone Kornappel (an der Stelle Gratulation unsererseits für eine Publikation ganz anderer Art), sondern diese hat zusammen mit ihrem Kollegen Philipp Günzel auch eine sehr schmucke Textauswahl getroffen. Es warten Konstantin Ames, Dennis Büscher-Ulbrich, Nina Bußmann, Kristoffer Patrick Cornils, Max Czollek, René Hamann, Hendrik Jackson, Bülent Kacan, Nicolai Kobus, Jan Kuhlbrodt, Tristan Marquardt, Robert Monat, Stephan Reich, Monika Rinck, Tibor Schneider, Sabine Scho, Mathias Traxler, Michael Zoch, Dmitry Golynko (übersetzt von Alexander Filyuta) und Birgit Kreipe (im Interview mit Simone Kornappel) mit neuen Texten auf. Grund genug, am 12.12. 5€ mehr einzustecken und sich eine randnummer mitzunehmen – wir verdienen da selbstverständlich nichts dran, sondern leiten das Geld an Simone und Philipp weiter, die sich mit der hochwertigen Ausgabe in Unkosten gestürzt haben.

 

Kostenlos war allerdings die erste Ausgabe der Zeitschrift Sachen mit Wörtern, von denen letztes Mal bereits ein paar auslagen und samt und sonders in diversen Taschen verschwanden. Wer kein Printexemplar mehr abbekommen hat, sich aber trotzdem ein Interview mit uns durchlesen möchte (hier nur kurz der Hinweis, dass der im Gespräch erwähnte Abend in Kooperation mit fixpoetry schon gelaufen ist), der kann das hier in aller Ruhe tun. Interessant genug und dank der Illustrationen von Petrus Akkordeon auch schmuck anzusehen.

Aber nun Butter bei die Fische, ich halte mich kurz: Am 12.12. ist wieder KREUZWORT! Das letzte Mal im turbulenten Jahr 2011, bevor es dann im Januar weitergeht. Wir freuen uns auf drei Mal Prosa von David Frühauf, Katharina Hartwell und David Wagner (bevor jetzt jemand naseweis wird: Insgesamt drei Mal, nicht jeweils!). Das wie mittlerweile ja bestens bekannt aus unserer Lieblingstrinkanstalt, dem Damensalon in der Reuterstraße 39 nahe der U-Bahn-Stationen Hermannplatz und Schönleinstraße. Das Ganze kostet 3€, Einlass ab 20h.

David Frühauf, geboren 1987 in Braunau am Inn, Oberösterreich. Seit 2007 Germanistikstudium, 2009 Aufnahme des Studiums „Sprachkunst“ an der Universität der angewandten Kunst Wien, seit 2010 am Deutschen Literaturinstitut Leipzig.

Ich hätte nicht zu sagen gewusst, woher du stammtest oder ob es solch eine Region überhaupt je gegeben hatte, die nicht erst durch meinen Zuspruch, mein Einsagen – mit flatternden Händen, mit flüsternden Gliedern – als Erfindung, ja, möglicherweise als Erinnerungslandschaft in mir und durch dich entstehen konnte. Doch nichts widerfuhr dir, nichts durch dich. Es schien, als wärst du von Beginn an gewesen, einzig um sagen zu können: Es gibt –; und dann darin zu verschwinden, unsichtbar zu werden, wie in Wiederholung übergangen, damit das Gedächtnis mit Sicherheit sich selbst auslösche – keine dieser Silben würde je über deine Lippen gekommen sein, oder sich als dir eigen zu verstehen gegeben haben. Dass du so flüchtig bist, rief ich, so vage und wölbend, so splitternd, zerrissen, beständig zugleich, wie mehrfach gespiegelt, meint: an meiner statt, um Stellen versetzt, verzerrt, und dich dadurch einer Anrede entzögst; revozierte Marter, ja, epiphane Bildflut und -flucht, und du zwischendurch aufschrecktest, als hätte dir jedes (weitere) Wort etwas anhaben können, hätte sich dir aufgedrängt und dich auf eines davon zu reduzieren versucht. Was für Sätze wären das, aus welchen Buchstaben wären sie gemacht? Jeder einzelne befremdete dich zutiefst, und ich wagte kaum zu atmen, befürchtete das Schlimmste eintreten gelassen zu haben: dass ich eines Tages nicht mehr aus dem Vergessen erwachen würde und all die an dich gerichteten Appellationen auch nach wiederholtem Male ungehört blieben. Welche dieser Masken würde sich dann dennoch vereinnahmen lassen, welche ließe dich zurück, in Keimen, in kleineren Mengen, um daraus zu schöpfen, zu erschließen, mich daran zu halten und welche verstünde sich noch darauf, dich in derselben Weise zu nennen, zu rufen, ohne stets denselben Namen zu verwenden und ohne zu antworten?

Katharina Hartwell, 1984 in Köln geboren. 2003 bis 2010 Studium der Anglistik und Amerikanistik in Frankfurt am Main. Seit 2010 Master „Literarisches Schreiben“ am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2006 und 2010 Preisträgerin “Junges Literaturforum Hessen-Thüringen“. 2009 MDR Literaturpreis. 2010 Arbeitsstipendium des LCB und Finalistin beim 18. Open Mike. Debüt „Im Eisluftballon – Erzählungen“ im Poetenladen Verlag erschienen. 2011 Aufenthaltsstipendium Künstlerdorf Schöppingen sowie Arbeitsstipendium der Jürgen Ponto-Stiftung.

Auszug aus dem Romanprojekt „Das fremde Meer“:

Du hörst jetzt die erste Geschichte. Du musst die Augen nicht öffnen, musst dich nicht bewegen, musst nicht mit dem Kopf nicken und ihn auch nicht schütteln. Heute Nacht nehme ich dich mit auf eine Reise, auf hundert Reisen nehme ich dich mit, und vielleicht sind wir dorthin unterwegs, wo du noch nie hin wolltest, wo keiner zu Hause sein möchte. Und vielleicht wirst du allein sein, einsam sein, wirst denken, dass ich dich nicht finden werde, nicht weiß, wo du bist, keiner weiß, wo du bist, und du warten musst, wie Rapunzel in ihrem Turm, wie Schneewittchen im Sarg aus Glas, wie Dornröschen hinter der Hecke. Mach dir keine Sorgen, halte still, halte dich gerade, halte Ausschau, warte, bis sich eine Tür öffnet, jemand den Raum betritt, jemand deinen Namen sagt, jemand durch die Fluten, durch den Wald, durch die Straßen, durch die Nacht zu dir kommt und dich an die Hand nimmt.

David Wagner, geboren 1971, wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet, darunter mit dem Walter-Serner-Preis, dem Dedalus-Preis für Neue Literatur und dem Georg-K.-Glaser-Preis. Er lebt in Berlin. Im Jahr 2000 veröffentlichte er seinen Debütroman »Meine nachtblaue Hose«. Sein jüngster Roman, »Vier Äpfel«, stand auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis 2009.

David Wagner wandert durch die Stadt, allein, manchmal in Begleitung. Was ist die Stadt? Wie lässt sie sich beschreiben? Immer wieder stößt er auf die Trümmer der deutschen Geschichte. Wagner erzählt, wie sehr sich die Stadt in den letzten zehn Jahren verändert hat. Er macht ein Praktikum als Türsteher in der »Flittchen Bar«, trifft die Füchse auf der
Pfaueninsel und einen müden Bürgermeister neben einem Bärenkostüm. Er spaziert durch die Randgebiete und durch den alten Westen. Er geht die Baustellen ab und erinnert sich an Baulücken. David Wagner läuft seit zwanzig Jahren kreuz und quer durch Berlin. Er ist ein Stadtwanderer, »in Halbtrance, gepaart mit dem Willen zur illusionslosen Genauigkeit«, wie die Wochenzeitung Die Zeit meinte.

»Welche Farbe hat Berlin?« versammelt größtenteils unveröffentlichte Texte, die in den letzten Jahren entstanden sind.

Das liest sich so:

DIE MÜLLTÜTE

Ich will bloß den Müll hinuntertragen in den Hof, unten aber, ich habe die zugeknotete Abfalltüte noch in der Hand, gefällt mir die Nacht so gut, es riecht nach Frühling, daß ich hinaus auf die Straße gehe. Ich biege um zwei Ecken und stehe schon vor dem Café Haliflor – entscheide mich aber, die Luft ist so süß, weiterzugehen.

Fast alle Fenster in den Fassaden der Choriner Straße, es ist gleich Mitternacht, sind schon dunkel. Ich komme an dem alten, zweistöckigen Molkereigebäude und der Protzbaustelle Choriner Höfe vorbei, überquere die stille Kreuzung mit der Zehdenicker Straße, auf der Torstraße halte ich mich links. Vor dem Kaffee Burger, die Reformbühne ist aus, steht ein Bekannter auf dem Bürgersteig und raucht. Wir wechseln ein paar Worte, er sagt nichts zu der Mülltüte, die ich in der Hand halte.

Ich gehe weiter und biege in die Alte Schönhauser Straße, noch immer stehen dort diese seltsamen Bürocontainer mit Camouflage-Bemalung auf dem unbebauten Grundstück Ecke Linienstraße. Die Nacht, es ist Sonntag, ist ruhig, ich höre nur eine italienische Reisegruppe singen. Sie johlen in einiger Entfernung, sie grölen, sie haben gute Laune. Ich bleibe vor dem Espresso- und Kaffeemaschinengeschäft stehen, mir gefallen finnische Porzellantassen ein paar Schaufenster weiter, schließlich betrachte ich Umhängetaschen, die aus alten LKW-Planen genäht wurden.

Ich merke, daß ich die Mülltüte immer noch mit mir herumtrage, schaue mich um, weit und breit ist kein Mülleimer zu sehen. Von der Münzstraße komme ich in die Max-Beer-Straße, kehre nach wenigen Schritten aber wieder um, mir fällt ein, daß dort eine Freundin wohnt, der ich nun lieber nicht begegnen möchte, nicht mit einer Mülltüte in der Hand. Ich bewundere die nackten Betonwände in einem zum Ladenlokal umgebauten Plattenbau-Erdgeschoß und biege in die stille Almstadtstraße ein.

Es ist dreiviertel eins, und wenn mich jemand fragen würde, was machst du um diese Zeit mit einer Abfalltüte in der Hand vor dem Schaufenster der Buchhandlung Pro qm, ich wüßte keine Antwort. Ich wollte gar nicht spazieren gehen, ich bin heute schon unterwegs gewesen, ich wollte nur den Müll hinuntertragen. Scheint so, als hätten meine Schuhe ohne mich entschieden. Sie sind einfach losgegangen. Das Gehen hat sich verselbständigt, und ich bin mir gar nicht mehr so sicher, ob ich selbst, ob tatsächlich ich es bin, der hier einen Fuß vor den anderen setzt. Geht die Stadt vielleicht mit mir spazieren? Die Füße unterbrechen ihre Tätigkeit, als zwei sich laut unterhaltende Amerikaner auf mich zukommen, ziemlich betrunken sagen sie Hi und fragen, natürlich auf Englisch, wo sie hier Dope kaufen könnten. Mir fällt nichts anderes ein, als sie in den Weinbergspark zu schicken.
Ich gehe weiter, finde wieder in meinen Rhythmus, den eigenen Geh-Rhythmus, der es manchmal so schwierig macht, mit oder neben anderen zu gehen. Am besten geht es sich doch allein, denke ich – widerspreche mir dann aber, fallen mir doch sofort zwei, drei, vier Personen ein, mit denen ich sehr gerne gehe und schon viel gegangen bin. Ich komme wieder zur Torstraße und stoße auf diese rätselhafte retro-avantgardistische Architekturskulptur an der Ecke Rosa-Luxemburg-Straße, ist das historistischer Expressionismus? frage ich mich, wie immer, wenn ich dieses Gebäude sehe. Und stehen dort, nirgends brennt Licht, vielleicht alle Wohnungen leer? Ein Nachbargrundstück ist noch unbebaut, hinter dem grell beleuchteten Werbezaun, der die Brache zur Alten Schönhauser hin umschließt, liegen abgerissene Plakate, leere Flaschen und ein kaputter Kinderwagen.

Einen Moment lang bin ich versucht, meine Mülltüte dazu zu werfen, trage sie dann aber, sie ist ja nicht schwer, doch die Schönhauser Allee hinauf, vorbei an der schönrenovierten Ex-Ruine Pfefferberg. Das riesige, viel zu perfekte spanische Touristenrestaurant hat schon geschlossen. Ich biege in die Schwedter Straße ein, überquere die Choriner und stehe wieder vor dem Haliflor. Anne, Sonntag ist ihr Abend an der Bar, sieht mich und winkt. Ich setze die Tüte ab, gehe hinein, bestelle ein Bier und erzähle, sie hält das natürlich für eine Ausrede, daß ich bloß den Müll hinuntertragen wollte. Zwei Franzosen, die neben mir am Tresen trinken, unterhalten sich über Neukölln. Die Tüte werfe ich später in den Müllcontainer im Hof.

Heute Abend: Bunter Abend im Bethanien

23 Jun

Wie schon zur letzten Lesung angekündigt, der von uns sehr geschätzte Tom Müller veranstaltet heute einen seiner Bunten Abende!

 

 

 

 

 

 

 

 

http://www.bunterabend.net/

 

ACHTUNG, ZENSUS BITTET:

BEGEBEN SIE SICH ZUR ALLGEMEINEN SCHÄTZUNG

AM Do, 23.06.11 im Bethanien am Mariannenplatz.

Schätze den Schatz, den Spatz, den Satz, den Abend mit Freunden,
die Hefe, den Hopfen, das Hüpfen der Laute, auch leise – die Melodie.
Komm, schätze die Geschichten, die Illustration live und von Hand,
feinste Musik.

Bunter Abend – Schätz das Unschätzbare.

Dichtung: Stephan Reich, Tom Müller, Daniel Weiss, Marie Donath

Reise: Marie Donath illustriert mit Schatten und Sand am OHP

Rock’n Roll: Holly Mae & The Painted Room (http://hollymaeandthepaintedroom.bandcamp.com/)

Eintritt: 4€
 

WANN:

Heute, ab 20.30 Uhr

WO:

Bethanien (NICHT das Künstlerhaus am Kottbusser Damm)

Mariannenplatz 2 A Südflügel
Kreuzberg, Germany

Dringende Ausgehempfehlungen: DichterFest 04 & g13: hall & rauch

21 Mär

Nachdem wir uns alle von der Leipziger Buchmesse erholt, unsere Socken gewaschen haben und wieder fit wie Turnschuhe durch Berlin tigern, sollten wir uns folglich dem hiesigen Literaturbetrieb ergeben. Da gibt es neben dem nächsten KREUZWORT-Abend mit Nikola Richter, Mathias Traxler und Gerhild Steinbuch am 28.03. im SCHATZI NEUBERG (it’s alive! it’s alive! …and kicking!) zwei ganz besonders feine Abende.

1. Das DichterFest 04 am 23.03. in der von uns hochgeschätzten Primitiv Bar

Simon Godart zieht diesmal seine Fäden aus dem Hintergrund, wartet aber mit einem mehr als feinen Programm für Connoisseure der Berliner Gegenwartslyrik auf:

  • Stephan Reich
  • Julia Trompeter
  • Jan Fabritius
  • Niklas Lemniskate
  • Ilja Winther

Danach gibt’s noch schmissige Musik von Festmusik Auferlegt. Ganz schön gutes Programm für die schlappen 2€ Eintritt, nicht wahr? Absolut wahr. Also: Am Mittwoch auf, auf in die Simon-Dach-Straße 28 und mitfesten, von 20h bis open end!

2. g13 in der Lettrétage: hall & rauch am 26.03.

Jetzt wird’s knifflig und langer Atem ist ein Muss, selbst bei einem kurzweiligen Vergnügen. Der Lyrikzirkel g13 dürfte KREUZWORT-Besuchern nun wahrlich nichts Neues sein, aber in der Lettrétage in der Methfesselstraße 23-25 zeigt sich, wie viele Hans Dämpfe da wirklich durch die Gassen rollen:

  • Rebecca Ciesielski
  • Max Czollek
  • Paula Glamann
  • Helene Könau
  • Alexander Makowka
  • Tristan Marquardt
  • Maria Natt
  • Can Pestanli
  • Friederike Scheffler
  • Lea Schneider
  • Yin Tsan
  • Ilja Winther
  • Nele Wolter

Ja, die lesen ALLE. Und nicht nur so larifari, sondern sie lassen sich von Tea Kolbe in Szene setzen.

Also hin da für ein wenig Lyrikbestiarium mit Bierempfang für summa summarum 5€ Eintritt (~35,7 Cent pro Mitwirkendem!), man sollte jedoch dringend um 19.30h dort sein, um sich noch eine Sitzgelegenheit in Form von einem halben Quadratmeter unbehandelten Dielenbodens abzugreifen!

Wir sehen uns dort, gebt uns gerne Getränke aus (Gin Tonic preferiert!). Bis es losgeht, könnt ihr euch an der folgenden Tagcloud erfreuen, ich hab bisher einen Ritter (ohne Pferd), ein Kaninchen (Niklas) und ein Haus (mit Reetdach) drin entdeckt:

Morgen (7. 12.) in der Lettrétage: Closed Maik – Losers on Fire

6 Dez

Von und mit Philip Maroldt, Jan Skudlarek und Stephan Reich

Wir huldigen den open mike-Gewinnern der Herzen am:

Dienstag, 07. 12. 2010

Beginn: 19.30 Uhr

Eintritt: 5 Euro

In der Lettrétage, Methfesselstraße 23-25, Berlin

Der open mike ist vergangen, und wieder hat er Opfer gefordert. Wir sammeln die ausgemusterten Dichter von der Straße ein, bewahren sie vor dem Sperrmüll (wenn auch nicht zwangsläufig vor Hartz IV) und werfen sie dem Streichelzoo des Berliner Literaturpublikums erneut zum Fraß vor. Stephan Reich, der heiße Debütant und die unbestreitbare Nummer 1 des 18. open mike. Jan Skudlarek, der Anakin Skywalker der Lyrikszene. Philip Maroldt, der wahre Meister der Kälte voller Nachhall poetischer Wärme – gemeinsam feiern sie ihre Niederlage gegen Österreich und die Schweiz. Garantiert garniert mit englischen Satzfetzen, homeboy. word!

Jeder, der sich als (ehemaliger) Verlierer oder eine von denen outet, die gar nicht eingeladen wurden, bekommt ein Überraschungsei. Trostpreise für die Autoren sind willkommen. Füttern verboten.