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KREUZWORT am 14. mit GUMZ, HÄFNER, KUHLIGK und ROLOFF

8 Mai

Wir große Fans von Bananen und wie sie uns die Welt erklären. Oder die Poetik der Grammatik:

Richtig: Hä? Am besten selber rausfinden, was hinter Spekulative Poetik steckt. Jeden Samstag, 18 bis 20h in den Räume des Merve-Verlags, d.h. Crellestraße 22 in 10827 Berlin (Nähe U7 Kleistpark, aber bitte keinen Suizid! – müsst ihr schon in den C-Bereich des BVG vordringen). 

Armen Avanessian und Steffen Popp machen am Samstag, dem 12. Mai den Auftakt der Gesprächsreihe Poesie und Begriff und reden über Evokation und Proposition. Es werden ebenfalls noch über Lyrik und Philosophie sprechen: Monika Rinck, Franz Josef Czernin, Oswald Egger, Ulf Stolterfoht und Daniel Falb. Voll nicht banane! Voll gut! Weitere Informationen auf der Homepage der Veranstaltungsreihe.

So ähnlich wie hier, über uns und unsere nächsten Veranstaltungen. Zum Beispiel die nächste, denn da uns die letzte noch nicht genug war und wir vor der drohenden Sommerpause noch mal Gas geben wollten. Um die schlimme Nachricht mal mundgerecht zu verpacken. Der Trost? Konzentriertes Programm für konzentriertes Publikum: Mit Alexander GumzEberhard HäfnerBjörn Kuhligk und Marcus Roloff streiten sich um eure Aufmerksamkeitsspanne. Die Wetten im Hause Kreuzwort tendieren dazu, von einer Remis auszugehen, Vierteilung im pazifistischsten Sinne sozusagen. Brot (Gin Basil Smash, Krusovice) und Spiele (Lyrik) gibt es wie gewohnt im Damensalon in der Reuterstraße 39 nähe der U-Stationen Hermannschla- äh, –straße und Schönleinstraße. Also am Montag, dem 14. Mai 3€ Eintrittsgeld mitnehmen und so ab 20h eintrudeln. Wir freuen uns. Und ihr euch auch, schließlich erwarte(t/n) euch Folgende(s):

Alexander Gumz, geboren 1974 in Berlin, wo er auch lebt, studierte Germanistik und Philosophie. Redakteur und Literaturveranstalter beim Texttonlabel KOOK und für das poesiefestival berlin, Mitbegründer des Festivals LAN. Drei Tage junge Literatur und Musik in Berlin und der langen Literatur- und Musiknacht HAM.LIT in Hamburg. Mitherausgeber mehrerer internationaler Anthologien. Er veröffentlichte Gedichte und Nachdichtungen in Zeitschriften und Anthologien, darunter Lyrik von Jetzt (DuMont 2003), Jahrbuch der Lyrik (S. Fischer 2008, 2009, 2011), Rock Lyrik (dtv 2011), Die Zeit, Neue Rundschau, Wespennest, Das Magazin, Das Gedicht. Ausgewählte Gedichte wurden ins Englische, Polnische, Spanische, Slowakische, Persische und Hebräische übersetzt. Sein erster Gedichtband, »ausrücken mit modellen«, ist im Frühjahr 2011 bei kookbooks erschienen. Wiener Werkstattpreis für Lyrik 2002, Finalist beim Leonce und Lena Preis 2003 und 2009 und beim open mike der Literaturwerkstatt Berlin 2009, Stipendiat der Villa Decius in Krakau 2007 und des Berliner Senats 2010. Clemens Brentano Preis der Stadt Heidelberg 2012. 

 

zum menü

 

ein verwaltungsaufwand, der sich selbst bekämpft:

jede stille, in der notenblätter kochen,

 

kommt zurück, bringt zwei neue mit. beim nachtisch

werden sie geschwister, erheben sich

 

fast zeitgleich, werfen campingstühle um.

vor dem abwasch nicken wir und fische

 

springen aus dem teich. zu spät, rufen sie

durch unseren geteilten mund,

 

wir haben keine angaben gemacht. wir sind uns

leider schleierhaft. bitte zu nordsee gehen

 

und den anderen erzählen: morgen wird die gegend

unter giftgas gesetzt.

 

dann genehmigen wir die höhe der reusen. dafür

brauchen wir nicht mal eine uniform.

 

(entnommen aus: ausrücken mit modellen,© kookbooks, berlin 2011)

Eberhard Häfner, 1941 in Steinbach-Hallenberg
bis 1987 als Metallgestalter und Restaurator an kirchlichen Kunstgut gearbeitet
ab 1988 freiberuflich als Dichter mit Unterbrechungen

 die letzten beiden eigenen Gedichtsbände bei Lyrikedition 2000 München

2008 – In die Büsche schlagen –   

2011 – Per Anhalter durch den Verstand –

 

Blase in mein Horn

 

Referiert nach einem Saitensprung

sah ich den Notenschlüssel auf gewölbter Decke

über’s Klangloch spannte Stacheldraht

Wassertropfenleib der Mandoline lag und schwieg

 

ich sah die Blutergüsse zwischen Sofakissen

die Mandelform aus Fichtenholz, des Korpus Schnecke

am Hals Kopfplatte eingerissen

zerfetzt der Katzendarm, mir das Jammern kam

 

guten Morgen, Hände hoch, beide

höchstwahrscheinlich unverletzt geblieben

 

Björn Kuhligk, * 1975 in Berlin, lebt dort. Zuletzt erschienen Der Wald im Zimmer – Eine Harzreise (mit Jan Wagner), Berliner Taschenbuch Verlag, 2007, Von der Oberfläche der Erde, Berlin Verlag, 2009 sowie Bodenpersonal, Verlagshaus J. Frank, 2011. Als Herausgeber editierte er zuletzt Das Kölner Kneipenbuch, 2011, Dumont Verlag, (mit Tom Schulz) und Lyrik von Jetzt zwei (mit Jan Wagner), Berlin Verlag, 2008. 1997 war er Preisträger des open mike der literaturWERKstatt Berlin, 2007 erhielt er ein Arbeitsstipendium der Stiftung Preußische Seehandlung, 2008 ein Arbeitsstipendium des Berliner Senats. Im Frühjahr 2012 erscheint ein neuer Lyrikband bei Hanser Berlin.

 

GRÜSSE AUS DEM HOCHMOOR

 

Der Tau der Wiesen rann herab

auf die Erde, der wir zugetan, über

dem Hang lag der Nebel, ein aufgelöster

Brühwürfel, aus dem sich der Bach

den wir am Abend stauten, befreite

 

die nunmehr an den Rändern

gerundeten Wunden der Buchen

die gestapelt, als könnte Wald

gestapelt werden, nichts als Möbel

wir sahen hinein, eine Verschluss-Sache

 

wenn du Blätter siehst, die laufen

sagte der Sohn des Metzgers

sind es schnelle Ameisen, wenn

ich laufende Blätter sehe, dachte ich

sind es laufende Blätter

 

Marcus Roloff, geb. 1973 in Neubrandenburg, siedelte im Sommer 1989 nach Bremen über und lebt heute in Frankfurt am Main. Studium der Neueren deutschen Literatur, Philosophie und Kulturwissenschaft an der HU Berlin. Literarische Veröffentlichungen seit 1997, zuletzt u.a. im Jahrbuch der Lyrik und der NZZ. Sein dritter Gedichtband „im toten winkel des goldenen schnitts“ erschien 2010 im Frankfurter gutleut verlag. 2009 erhielt er ein Aufenthaltsstipendium des Landes Brandenburg im Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf. Als Übersetzer ist er am Lyrikband „Ein weltgewandtes Land“ von John Ashbery beteiligt (luxbooks, Wiesbaden 2010); im Herbst 2012 erscheint ebenda die Werkauswahl „Frischluft“ von Kenneth Koch (mit z. T. deutschen Erstübersetzungen).

 

mundwinkelsuppe

 

meyer heißen will ich (beziehungsweise) mich

klein machen. weggeduckt dem schicksal (der

gemeinschaft) entrinnen. im windschutz von stube

(interieur) und verborgen (nicht sichtbar) der

zweiten jahrhunderthälfte (1950 ff).

 

mir rauscht der kopf. vor den gruben

ist hinter den linien. (auf sworbe) der fraß ist

gefressen. der postkartenstapel vermoderte

im gepäck. mein kopf (ein feindsender). ich ein

rentner. pfeife auf meine. (ich meine) ich werde

 

sterben in einer nachkriegsehe. auf dieser

pritsche. diesem zu boden geworfenen (gehäkelten)

kleid (fünfzig millionen) mit all den birken ver-

glichen. gleicht sich aufs haar halb europa

halb halte ich durch (bis moskau).

KREUZWORT am 07.05.: GOLYNKO & KISSINA (mit Übersetzungen von FILYUTA)

3 Mai

Man muss nicht gerade Gauss sein, um bis hierher rausgefunden zu haben, dass unsere Lesungen eigentlich immer am 2. und 4. Montag jeden Monats stattfinden. Manchmal jedoch machen wir eine Ausnahme, wie zum Beispiel wenn Osterfeiertage sind oder aber, wenn gerade Dimitry Golynko in der Stadt ist. Und wenn wir die Chance haben, Julia Kissina bei uns zu begrüßen. Und Alexander Filyuta seine und Steffen Popps Übersetzungen von Dimitry und Julia bereitstellt. Deshalb haben wir uns also zu einer kleinen, zwischen geschobenen Veranstaltung am Montag, dem 07.05. entschieden. Eintritt ist wie immer ab 20h, der Spaß kostet wie immer 3€ und natürlich residieren wir wieder im Damensalon in der Reuterstraße 39, weil es dort einfach die besten Drinks gibt. Wenn wir ganz ehrlich sind: Die Vorstellung, direkt am 14.05. schon wieder dort zu sein ist doch eine schöne. Aber zuerst sehen wir uns am 07.05. mit russischsprachige Literatur und deutscher Übersetzung!

Dmitri Golynko wurde 1969 in Leningrad, UdSSR, geboren. Nach dem Studium der Kunsttheorie und Russischen Literatur promovierte er mit einer Arbeit über die russische Post-Avantgarde des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Er war 2004/2005 für zwei Jahre Gastprofessor am slawischen Institut der Cheongju Universität in Südkorea und ist zurzeit Forschungsbeauftragter am kunstgeschichtlichen Institut St. Petersburgs. Neben der Auseinandersetzung mit Film- und Medientheorie, die er unterrichtet, zeichnet er für zahlreiche Essays zu Themen der zeitgenössischen Kunst und Literatur verantwortlich, die in renommierten Zeitschriften Russlands erscheinen.

Hier ein Ausschnitt aus Дмитрий Голынко, in der Übersetzung von Steffen Popp und Alexander Filyuta zu Deutsch Das Phasenverschobene

Дмитрий Голынко

Сдвинутое по фазе

1

сдвинутое по фазе метит попасть впросак

но промахивается, десятилетье, начавшись

осамой бен ладеном, нудно и беспонтово

завершается ассанжем, гоняя коктейли

на шестьдесят каком-то этаже небоскреба

с формами цилиндра, усеченного и повсюду

зеркального, поперхнуться, хаяттов и марриотов

наворотили до самого горизонта, сгореть

ему со стыда за позу миссионерскую, щебечет

президентский твиттер об улучшении условий

для бизнеса, если выпала робинзонада, ее отбыть

уместней в черте мегалополиса, балл набран

2

сдвинутое по фазе сверяется по часам

с тоже сдвинутым, но не настолько, оно не успело

подсуетиться, опоздало вскочить на подножку

отъехавшей истории, среди розовых пантер

себя не запятнало разбоем, схватить родимчик

не удосужилось, плевелом не легло под комбайн

хлебоуборочный, проморгало важный момент

превращения милой девушки с тишайшим

нравом в отъявленную crazy bitch, хотя процесс шел

как по маслу, теперь копипастит что подвернется

из давно перепощенного, растет частота попаданья

в число партизан приморских, на пары разбились

3

сдвинутое по фазе держит равненье на

дышащее неровно, всяк сюда нисходящий

оставляет снаружи, жутко, за руку чуть не

поймали, паррезия, скорая на язык, бодрит

одного паррезиаста,  гнилостная петрушка

вышла с материальной помощью, выданной

на отпуск, мимо промчалось на всех парах

и отмучилось быстро, кусака тявкает, укурок

посягает на собственность, парочка перегрелась

разруливая отношенья, обветренный носик

у любопытной сопливится, высмаркивая ноздрю

и куда ни надо суясь, каждый жест взвешен

4

сдвинутое по фазе гурманствует чем придется

при пустом холодильнике, ломает его наполнить

содержимым, еботней органики иль ядреным

вырви глаз азиатским соусом, не первая полтаха

раздавлена втихую, задумчиво долдоня

о приближении того что дальше, гудит на пару

с ошпаренным опытом жизни, не просыхая от пота

сторучьевого, укутанная в пелеринку

благородная старость трясет поджилками перед

ртом неблагодарной юности, и похлеще видали

если погуглить, доведя себя до цугундера

пробавляется ингаляциями, в рассоле размокло

.

.

.

Dmitry Golynko

das Phasenverschobene

 

1

das Phasenverschobene peilt eine Schieflage an

und verfehlt sie – das Jahrzehnt, begonnen mit

Osama bin Laden, endet witzlos mit Assange – 

Cocktails schlürfend im sechzig plus x-ten Stock

eines Wolkenkratzers, abgeschrägte Zylinder

endlos sich spiegelnd, Hayatts und Mariotts

Husten auslösend hingetürmt bis zum Horizont

für diese Missionarsstellung soll er vor Scham

versinken, der Twitter des Präsidenten zirpt

von Business-Erleichterungen, evtl. auftretende

Robinsonaden besser in den Grenzen der Mega-

lopolis aussitzen, Mindestpunktzahl erreicht

2

das Phasenverschobene gleicht die Uhr mit einem

anderen Verschobenen ab, doch nicht exakt –

es kam nicht zurecht, verpasste den Sprung aufs

Trittbrett der Geschichte, abgefahren, befleckte

sich nicht mit Raub bei den Rosa Panthern

entging dem Schlaganfall, kam nicht wie Lolch

unter den Mähdrescher, verschlief den Moment

der Verwandlung einer netten Sanftmütigen

in eine crazy Bitch, obwohl der Prozess wie

Klinge durch Butter lief, jetzt copypastet das Erst-

beste aus zigmal Gepostetem, die Beitrittsrate

der Primorje-Guerilla steigt, in Paare eingeteilt

3

das Phasenverschobene richtet sich nach dem

stockend Atmenden, die ihr hier eintretet, lasst alle

fahren, beängstigend, wie in flagranti ertappt

Parrhesia, zungenfertig, befeuert Parrhesiasten

die schlampige Quitte ging mit einer Sonder-

zahlung für Urlaub raus, was mit Volldampf

vorbei rauschte, segnete schmerzlos das Zeitliche

der Beißer bellt, der Kiffer greift nach dem

Besitz, das Pärchen überhitzte sich beim

Regeln der Beziehung, das windrauhe Näschen

einer Spannerin läuft – Schnäutzen – steckts

in fremde Wäsche, jede Geste gewogen

4

das Phasenverschobene schlemmt das Erstbeste

bei leerem Kühlschrank, drückt sich davor, ihn

zu füllen, mit einer Biokotze oder der atomaren

– Rachenputzer – asiatischen Sauce, etliche Shots

schon im Stillen gekippt, nachdenklich brabbelnd

vom Nahen des Kommenden, pfeift unter Dampf

abgebrühten Lebens, in hundertströmigen Schweiß

gebadet, in eine Pelerine gehüllt, zittert das

würdige Alter am ganzen Leib vor dem Mundwerk

respektloser Jugend, es gibt Krasseres zu sehn

beim Googeln, vor die Hunde gegangen, zufrieden

am Inhalator nuckelnd, in Salzlake aufgeweicht     

.

.

.

Julia Kissina (russisch Юлия Дмитриевна Кисина Julija Dmitrijewna Kissina; * 1966 in Kiew, Sowjetunion) ist eine russische Künstlerin und Schriftstellerin. 

Als Künstlerin ist sie durch ihre Fotografien bekannt geworden. Sie studierte in der Akademie der bildenden Künste in München. In den 90er Jahren entwickelte sie das Verfahren der „performativen Fotografie“ und führte eine Reihe von künstlerischen Aktionen durch, u.a. „Kunst und Verbrechen“ auf dem Polizeirevier 4/42 in Berlin (2003) und „Authentic german way to living and enjoying oneself“ auf der Art Berlin (2004). 2006 gründete sie den „Klub der toten Künstler“, der seither in spiritistischen Séancen Gespräche u. a. mit Malewitsch, Duchamp,Repin und Modersohn-Becker geführt hat.

In all ihren Werken konfrontiert sie das Publikum und den Leser mit den Möglichkeiten von Fiktion und künstlerischer Provokation im Alltag.

Julia Kissina lebt und arbeitet in Berlin. Momentan ist sie Stipendiatin des Berliner Senats für Literatur.

Aus: Ausgewählte Gedichte, 2010. Übersetzt von: Martina Jakobsen

KREUZWORT am 23.01. mit BOEGE, JACKSON, STALLBAUMER & TEZKAN

17 Jan

Nach einem wunderbaren letzten Kreuzwort-Abend, der uns mit verquollenen Augen, rumpelnden Mägen und zufrieden-besonnenem Lächeln aufwachen ließ, nehmen wir nun frisch und unverkatert Fahrt auf. Am Mittwoch werden wir noch Brigitte Struzyk, Ulrich Koch und Peter Wawerzinek in der Lettrétage belauschen und -gutachten, bevor’s am Freitag wieder eine Portion Kunst gibt. Immerhin: Akute Handlungsbereitschaft im Haus am Lützowplatz. Mark Greif ist nicht dabei, der ist zu dem Zeitpunkt leider in jeder Feuilletonsparte jedes Mediums überhaupt. Dafür haben wir das pfundige Lyriksternchen Manuel „Ramboel Stalldoomer“ Stallbaumer bei uns, der nicht nur mit mir zusammen ein Buch verlosen wird, das wohl niemand haben möchte, nein, er hat einen weiteren alten Bekannten eingepackt: Hakan Tezkan kommt ebenfalls aus Leipzig herüber und liest Prosa. Unterstützung findet die Gattung auch durch Luise Boege. Zudem freuen wir uns, Hendrik Jackson begrüßen zu dürfen und mit ihm Alexej Parschtschikow – jedenfalls textlich, Hendrik liest Übersetzungen von Parschtschikows Lyrik.

Die ganz nüchternen und nackten Daten: 23.01.2012, ab 20h im Damensalon in der Reuterstraße 39 (Nähe U Hermannplatz und/oder Schönleinstraße), 3€ Damage, eventuell ein Buchgewinn. Alles klar?

Übrigens möchten wir an dieser Stelle Nora Bossong zum Peter-Huchel-Preis gratulieren. Wieder einmal zeigt sich: Wer häufig bei Kreuzwort auftaucht, kann nur gewinnen. Weitere Personen, die zukünftig noch gewinnen werden und warum:

Luise Boege, geboren 1985 in Würzburg, lebt und arbeitet in Berlin. Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Veröffentlichungen von Lyrik und Prosa in Anthologien und Zeitschriften, zuletzt Entwürfe und Lichtungen. Auszeichnungen unter anderem Open Mike 2006.

Mein Blick scheint etwas kaputtzumachen an den Dingen, denn ich träumte (nehme ich an) einmal von einem dritten Auge, das über meinem eigentlichen Auge (dem rechten) wuchs, und ich fragte mich, gemeinsam mit den bei mir seienden Menschen (Freunde oder so), ob das Bedeutung habe, oder ob dritte Augen nicht einfach so wüchsen (man hatte schon davon gehört in diesem Kreis, also sowohl von der möglichen Bedeutung dritter Augen als auch der Möglichkeit von Nichtbedeutung dritter Augen), also war beides möglich und berechtigte Annahme. Ich konnte ohnehin nicht mehr als vorher auch schon sehen, obwohl ich ja hätte müssen (mit dem dritten Auge). Das juckte (das Auge, und die anderen waren auch lang schon weggeglitten von dem Gespräch, hin zu etwas, das ich, traumüblich, nicht ansehen konnte, etwas, das ich möglicherweise selbst ausstrahlte, ins blinde Zentrum meines Blickfeldes). Seitdem bin ich sensibilisiert für meine eigene Ausdehnung (ich ahne sie).

Hendrik Jackson, geboren 1971 in Düsseldorf. Lebt als freier Autor, Übersetzer und Herausgeber (lyrikkritik.de) in Berlin. Er veröffentlichte die Bändebrausende Bulgen – 95 Thesen über die Flußwasser in der menschlichen Seele, edition per procura 2004, Einflüsterungen von seitlich, Morpheo Verlag 2001, sowie als Übersetzer aus dem Russischen Marina Zwetajewas Poem vom Ende/Neujahrsbrief, edition per procura 2003. Zuletzt erschienen der Gedichtband Dunkelströme, kookbooks 2006, und der Essayband Im Innern der zerbrechenden Schale. Poetik und Pastichen, kookbooks 2007. Hendrik Jacksons Gedichte wurden unter anderem mit dem Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium 2002, dem Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis 2005, dem Hans-Erich-Nossack-Förderpreis 2006 und dem Friedrich-Hölderlin-Förderpreis 2008 ausgezeichnet. Vor Kurzem erschien im Merve Verlag Helm aus Phlox. Zur Theorie des schlechtesten Werkzeugs zusammen mit Ann Cotten, Daniel Falb, Steffen Popp und Monika Rinck.

Hendrik wird Gedichte von Alexej Parschtschikow lesen, die er aus dem Russischen übersetzt hat. Erschienen sind sie im Band Erdöl bei kookbooks.

Das liest sich dann so:

Igel

Igel: ein dunkler Prophet, der die Wurzel des Himmels zieht,

dessen Nadelbett den Leib Sebastians durchspießt.

 

Sein Rücken: eine Vielheit, geschöpft wie durch ein Sieb,

und der doch in sich, ganz, abgesondert blieb.

 

Zisch ihn an – er  erlischt, gleichsam durchbohrt. Trollt

sich fort. Pass auf, daß er nicht in den Kragen rollt!

 

Der Igel – ein Schlosserutensil; Tölpel, der einen Twist hinlegt.

Abfallkorb an der Haltestelle, von einer Schneewächte verdeckt.

 

Bei Frauen stehen seine Nadeln still, wie in Futteralen.

Verträumten Männern wird er das Kinn zermahlen.

 

Das Verschwinden des Igels – ein trockener Auspuffknall.

Auferstanden? –Dann schüttel dich aus! Nadeln überall!

 

Manuel Stallbaumer, geboren 1990. Aufgewachsen und unter pompösen Umständen größtenteils erwachsen geworden in Aidlingen. Studiert seit 2009 am Literaturinstitut in Leipzig, veröffentlicht hin und wieder Gedichte. Top: War 2011 für den Open Mike nominiert. Flop: Hat nicht gewonnen.

-1wodkatampons als kleinster gemeinsamer nenner
meiner generation. zum zeitpunkt des versagens
der actimelabwehrkräfte trafen wir uns zum

abarbeiten an der ödnis / an molekülgeschwadern
penibel genaue verortung im irgendwo der felder
und als hauptattraktion: german angst wo einer stand
auf dem geländer eines stegs an
einem künstlich angelegten see
und sprang / ich hinterher

(unnötig anzumerken: ’s war august
der vierundzwanzigste oder so vor uns
eine noch zu erbauende vorstadt mit
getthoprädestination)

hakan tezkan, geboren 1989, seit 2009 studium am deutschen literaturinstitut leipzig, ein paar veröffentlichungen.

Die Mutter und der Vater saßen bereits am Tisch und warteten. Darauf zu sehen: in der Mitte ein Glaskrug gefüllt mit Wasser, darum herum Schalen, aus denen es dampfte, außerdem Teller, Besteck, Servietten. M stand am Fenster und fuhr mit den Fingern über die Scheibe, zeichnete die Konturen der Geräte auf dem Spielplatz nach: bunte Klettergerüste, Rutschen, Wippen, ein Sandkasten. Es hatte geregnet, im Sandkasten lagen aufgeweichte Bieretikette und anderes Papier. Die Eltern unterhielten sich darüber, über den Regen, die Sonne, die sich nicht blicken ließ, über das Wetter allgemein; darüber konnte man immer sprechen. M verließ jetzt den Raum, man hörte Türen sich öffnen und schließen, Rascheln, Schritte, dann wieder Türen, kam zurück. Ob er sich nicht setzen wolle, sagten die Eltern dann. Das mache sie ganz nervös, dass er in der Wohnung umher laufe wie ein Streuner. Er setzte sich. Kurz darauf fing er an, mit den Füßen zu wippen, der Tisch zitterte, man hörte das Besteck auf der weißen Tischdecke, auf dem Holz, man hörte es dort ganz deutlich zittern und die Mutter und der Vater schauten M an, sagten erst nichts, schauten ihn bloß an, als würde er wissen, was sie damit meinten; und er wusste auch, was sie meinten, er reagierte bloß nicht. Er solle damit aufhören, sagte der Vater schließlich. M ließ die Beine sofort still und stand auf, stellte sich wieder ans Fenster. Ein Hund pinkelte gerade in den Sandkasten, sein Herrchen war nicht zu sehen. In einer der Wohnungen gegenüber ging das Licht an, man sah einen Schatten hinterm Vorhang auftauchen/abtauchen. Die Mutter strich sich ihren Pulloverärmel hoch und guckte auf ihre Uhr. Wiederholte das kurze Zeit danach wieder. Fragte dann, ob W später komme, ob er etwas gesagt habe. Nein, sagte M, und weiter: der wird schon gleich auftauchen. Er könne sich ja schonmal die Hände waschen, sagte die Mutter und M verließ also das Zimmer, ging ins Bad, drehte den Wasserhahn auf. Er hielt seine Hände nicht darunter, betrachtete sich bloß im Spiegel und machte Grimassen, über die er versuchte zu lachen, er lachte aber nicht. Dann drehte er den Hahn zu und ging zurück ins Esszimmer. Er kehrte den Eltern den Rücken und betrachtete die Wand, die Raufasertapete, die er an einigen Stellen schon abgekratzt hatte, über die seine Eltern immer wieder hatten streichen müssen. Man sah die übertrieben weißen Flecken, wenn man genau hinsah, sie waren dann deutlich zu erkennen.

Die nächsten außerbetrieb-Termine: Literatur-Wissenschaft, Splitterpole (Freitag/Samstag)

29 Sept

Das Wochenende wird mal wieder vollgepackt mit vielen Sachen, und die zwei schönsten sind sicherlich am Freitag und am Samstag in der Lettrétage mitzuerleben, also hin zur Methfesselstraße 23-25, 5€ oder 3€ Eintritt pro Abend sind einzuplanen und gleichermaßen viel Spaß und Futter für’s Hirn.

Literatur-Wissenschaft: Anknüpfungen

Die Berührungspunkte sind eigentlich offensichtlich und trotzdem widmen sich wenige Akademikerinnen und Akademiker der Gegenwartslyrik, noch seltener jene, die nicht sowieso mit dem Literaturbetrieb in Berührung stehen. Es ist nicht nur an der Zeit, nach den Gründen zu suchen, es ist vor allem dringend notwendig, dies zu ändern. Vier Autorinnen und Autoren stehen vier Literaturwissenschaftlern gegenüber, der Text bleibt Mittelpunkt.

Es wird Zeit, wieder anzuknüpfen. Prof. Dr. Remigius Bunia (Freie Universität Berlin), Dr. Michael Gratz (Universität Greifswald), Dr. Tim Lörke (Freie Universität Berlin) und Johannes Schüller (Master-Student Freie Universität Berlin) haben von uns Texte von je drei Autorinnen und Autoren zugesandt bekommen, Texte, die vorher anonymisiert wurden.

Jeder von ihnen wählte ein, zwei Gedichte einer Autorin oder eines Autors aus und beschäftigte sich, losgelöst von jedem Kontext, mit ihnen – wie, das überliessen wir ihnen. Am Freitag, dem 30.09. nun werden sie ihre Ergebnisse vorstellen. Die Gedichte von Daniela Seel, Norbert Lange, Tom Schulz und Steffen Popp werden am Abend verlesen und die Autoren werden, sofern sich dies einrichten liess (Daniela Seel wird voraussichtlich via Skype zugeschaltet werden, Tom Schulz‚ Text wird von Björn Kuhligk verlesen) die Möglichkeit haben, Stellung zu beziehen. Es geht um Anknüpfung: Wissenschaft, die an Lyrik anknüpft, Autoren, die an akademische Überlegungen anknüpfen können.

Splitterpole: Traditionslinien

Wenn wir schon literarische Lesung und akademische Vorlesung kombinieren, warum nicht auch Diskussion und Lesung? Wir haben Autorinnen und Autoren mit markanten Positionen eingeladen, uns Rede und Antwort zu stehen – auf unsere Schlagworte hin reagieren sie – mit Lyrik, mit Kommentaren, mit Meinungen. Eventuell mit allem zusammen? Wir werden es sehen und sind selbst brandgespannt auf Verlauf und Ergebnis dieses Experiments, an dem Simone Kornappel, Max Czollek, Kathrin Schmidt, Hendrik Jackson und Tobias Amslinger teilnehmen werden.

 

Na dann, wir sehen uns da!

So viel Literatur, so wenig parallele Persönlichkeiten: Lettrétage, J. Frank, Milena Oda und ParlandoPark

30 Mär

Es kommt irgendwann für jeden der Moment, in dem er eingestehen muss, dass er Harry Potter gelesen hat. Meistens, wenn er vor der Wahl steht, drei gute Veranstaltungen an einem Abend zu besuchen und grummelt, dass man so ein nützliches magisches Gerät bräuchte wie Hermione Granger. Das lässt einen für einen bestimmten Zeitraum (so gut hab ich’s dann doch nicht gelesen, hust hust) in der Zeit zurückreisen und macht es so möglich, gleichzeitig an zwei Orten zu sein, Parallelpersönlichkeiten zu haben.

Das Ding hätten wir gerne für Freitag, den 1. April, denn da konkurrieren in Berlin einige feine Angebot. Handeln wir das alphabetisch ab:

Freitag: 1. Hugo Ball – Der magische Bischof der Avantgarde in der Lettrétage

Michael Braun, Norbert Lange, Karl Piberhofer und Bärbel Reetz bitten zur Teilnahme an einer literaturhistorisch-dichterisch-biogiraphisch-onomatopoetischen Karawane. Nicht nur um Hugo Ball werden sich die vier kümmern, sondern auch um seine Lebensgefährtin Emmy Ball-Hennings.

Das klingt gut genug, um sich 5€ Eintritt in die Methfesselstraße 23-25 mitzunehmen. Wer schnell genug losgeht/-fährt ist dann auch um 19.30h pünktlich da. Jolifanto bamblatastisch!

Freitag: 2. Buchpremiere von Milena Odas „Nennen Sie mich Diener“ im Club der polnischen Versager

Eigentlich ist sie ja Tschechin und alles andere als eine Versagerin, aber lassen wir das mal so durchgehen. Da die Veranstaltung um 21h losgeht, könnte man es von der Lettrétage vielleicht noch bedingt pünktlich in die Ackerstraße 168 schaffe, um Milena mit ihren sage und schreibe sechs Mitakteuren zuzuschauen und -zuhören.

Danach gibt es noch ein Diener, äh, DJ-Set. (Absolutes Kalauerverbot jetzt!)

Freitag: 3. Blickdicht lieben die Stare in der Z-Bar

KREUZWORT-Veteranen Tom Schulz und Lutz Steinbrück geben sich ebenfalls ab 21h in der Bergstraße 2 die Ehre, was dann je nach Bonität 3 oder 5€ Eintritt kosten wird.

Samstag: Parasitenpresse stellt sich in der Lettrétage vor

Am Samstag, dem 2. April fällt uns gerade nur ein place to be ein: Wieder die bezaubernde Lettrétage, in welcher ab 19.30h für 5€ die parasitenpresse ihre Aufwartung macht. Das heißt Texte satt von Timo Berger, Adrian Kasnitz und Angela Sanmann– und sie lesen nicht nur ihre eigenen! Ab in die Methfesselstraße 23-25!

Sonntag: Ben Lerner und: In memoriam Alexej Parschtschikow

Im Soupanova in der Stagardener Straße 24 stellt das Qualitätsteam Hendrik Jackson/Steffen Popp nicht Ben Lerner (in Fleisch und Blut) vor, sondern gedenken auch Alexej Parschtschikow. Kostet nix€ Eintritt und man sollte ab 20h da sein.